Lebensmittelverschwendung ist ein Riesenthema in der westlichen Wohlstandsgesellschaft. In vielen Ländern dieser Welt ist die Nahrung knapp – wir werfen sie einfach bedenkenlos auf den Müll. Nicht, weil sie verdorben wäre. Schönheitsfehler oder das oft falsch verstandene Mindesthaltbarkeitsdatum sorgen dafür, dass völlig einwandfreie Lebensmittel in der Tonne landen. Das muss sich ändern, dachten sich auch die drei Gründer des ersten Food-Outlets in Berlin, das ausschließlich gerettete Lebensmittel im Angebot hat. Demnächst kann man durch die Bestellung sogenannter Retterboxen auch in Gesamtdeutschland die Idee unterstützen. Doch wie funktioniert SirPlus und was ist neu im Vergleich zu bestehenden Angeboten wie den Tafeln oder Foodsharing?
Wegwerfen stoppen – gerettete Lebensmittel shoppen
Die Verpackung ist eingerissen, das Etikett fehlerhaft, das Gemüse entspricht nicht der Norm-Form oder das Mindesthaltbarkeitsdatum ist überschritten – dies sind nur einige der unglaublichen Gründe, weshalb in Deutschland jedes Jahr tonnenweise Lebensmittel verschwendet werden. In den erschütternden Zahlen: Jeder Deutsche wirft pro Jahr ca. 82 Kilogramm Lebensmittel unnötig weg und verpulvert dadurch durchschnittlich 230 Euro. Pro Minute wird in Deutschland eine LKW-Ladung Lebensmittelmüll produziert, weltweit 1,3 Milliarden Tonnen jährlich. Dieser Wahnsinn muss gestoppt werden! Das dachten auch Raphael Fellmer, Martin Schott und Alexander Piutti, die ihr Startup SirPlus im Februar 2017 gründeten. Das einfach Ziel: Lebensmittel retten. Und zwar in großem Stil. Immer wieder gibt es ambitionierte Ideen und Projekte, die viel bewegen. Aber der Lebensmittelverschwendung richtig groß, sozusagen Mainstream, den Kampf anzusagen – das gab es bisher noch nicht. Man nehme beispielsweise wegweisende Organisationen wie Die Tafeln. Die geretteten Lebensmittel hier sind nur Menschen mit nachweislich geringen Einkommen vorbehalten. Oder die Internetplattform foodsharing.de, deren Mitbegründer übrigens auch Raphael Fellmer ist. Hier wird die Integration und Organisation in der Community vorausgesetzt. Wie kann aber der sogenannte deutsche Otto Normalverbraucher Lebensmittel retten, ohne arm zu sein oder sich online zu organisieren? Die Zukunftsvision: Einfach im Supermarkt shoppen gehen und dabei Gutes tun. Und das soll gehen? Ja, mit SirPlus.
SirPlus – wie geht das?
Wenn die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung einen spürbaren Effekt haben soll, dann muss ein großes Projekt an den Start. Die drei Gründungsväter von SirPlus – das Wortspiel leitet sich übrigens vom Englischen „surplus“ (dt. Überschuss) ab – fackelten nicht lange und entwickelten das Konzept einer ganzen Supermarktkette nach dem Franchise-Modell für Deutschland, Österreich und die Schweiz. In den kommenden fünf Jahren sollen nach und nach immer weitere Filialen aufgebaut werden. Der Mutter-Store wurde bereits mittels Crowdfunding-Kampagne, Privatdarlehen und zig helfender Händen im Herzen Berlins auf die Beine gestellt und ist seit dem 8. September für jedermann geöffnet. Hier gibt es Lebensmittel mit Schönheitsfehlern sowie kurz vor oder nach MHD-Ablauf. Geschmissen wird der Betrieb von engagierten Helfern, zumeist Praktikanten. Noch ist das Sortiment überschaubar und aufgrund der speziellen Art der Warenbeschaffung jedes Mal ein spannendes Glücksspiel für den Kunden. Obst, Gemüse, verpackte Lebensmittel und Getränke stellen bisher noch das Hauptangebot dar. Doch das Sortiment wächst beständig und viele neue Kooperationspartner bereichern die Auswahl im SirPlus.
Das geheime Erfolgsrezept von SirPlus: Alle Seiten glücklich machen. Die Kunden bekommen erstklassige Lebensmittel – auch viele Bio-Produkte – bis zu 70 % günstiger und tun aktiv etwas gegen Lebensmittelverschwendung. Die Produzenten, Supermärkte und Großhändler müssen weniger wegwerfen, sparen Entsorgungskosten, bekommen noch ein geringes Entgelt für ihre Überschussware, die kostenlos abgeholt wird, und tun natürlich Gutes für Menschen und Umwelt. Eine klassische Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
SirPlus – Lebensmittelrettung mit Perspektive
Wie schon erwähnt, soll SirPlus eine Store-Kette werden. Voraussetzung: Das Konzept ist erfolgreich und rentiert sich im Berliner Pilotprojekt. Dazu muss natürlich auch die Kasse stimmen, damit die Finanzierung gesichert ist. Bis Ende des Jahres sind die Mietkosten im Berliner Geschäft gesponsored und somit gesichert. Danach muss sich das Projekt selbst tragen. Auch sind weiterhin Geldgeber gesucht, um einen weiteren Berliner Store 2018 eröffnen zu können. Daneben steht die Etablierung eines digitalen Marktplatzes an, um die geretteten Lebensmittel noch weiter in Umlauf zu bringen. Ein Vorläufer davon sind bereits jetzt die sogenannten Retterboxen, die man unter sirplus.de bestellen kann und die deutschlandweit ab November ausgeliefert werden sollen.
Die Berliner Kundschaft von SirPlus ist begeistert und der Laden wird gut angenommen. Auch Industrie und Handel reagierten bislang ausschließlich positiv auf die Idee und Kooperationsanfragen von SirPlus. Es bleibt zu hoffen und die Daumen zu drücken, dass am Ende auch die Kasse stimmt, damit so ein tolles, ambitioniertes Projekt mit echtem Veränderungspotential weitergeführt werden kann.
SirPlus Berlin Wilmersdorfer Str. 59 10627 Berlin Mo – Sa 09:00 – 20:30 Uhr sirplus.de